Wie wirkt Cannabis auf unseren Körper?

Die Welt des Cannabis ist riesig und vielfältig; sie bietet ein ganzes Universum an Möglichkeiten, von denen wir zum Teil noch nicht mal etwas ahnen. 134 bis jetzt entdeckte Cannabinoide, über 200 Terpene und Terpenoide, 20 Flavonoide, und sie alle beeinflussen sich gegenseitig. Ein Tanz der Moleküle, nur um uns jedes einzelne Mal eine einzigartige Wirkung zu schenken. Was da genau passiert, davon verstehen wir bisher nur einen Bruchteil, doch er gewährt einen erstaunlichen Eindruck in das Potential der Pflanze.

THCA

THCA ist der Vorgänger des THC. Eigentlich ist es eine Säure, die in jedem potenten Cannabis vorkommt, denn THC entsteht erst durch Decarboxylierung. THCA hat an sich keine psychoaktive Wirkung, was auch der Grund dafür ist, dass ihr euer Weed vor dem Verzehr im Backofen aktivieren müsst. Beim Rauchen geschieht dieser Vorgang automatisch, sobald das Material mit der Hitze des Feuers in Berührung kommt. Dass THCA keine Rauschwirkung erzeugt, heißt aber nicht, dass es wirkungslos ist. Es hat in vivo bei Mäusen, welche ein Neurotoxin (Nervengift) erhalten hatten, starke neuroprotektive Eigenschaften gezeigt. Auch bei menschlichen Zellen im Labor zeigte es sich wirksam, und zwar gegen die vererbbare Huntington-Krankheit, welche das Gehirn befällt, und zu psychischen und motorischen Störungen führt.

Delta-9-THC

Seit 1964 wissen wir dank Raphael Mechoulam schon, dass THC existiert. Am Weizmanninstitut für Wissenschaften isolierte er die psychoaktive Substanz damals gemeinsam mit seinem Kollegen Yechiel Gaoni. Tetrahydrocannabinol kommt ausschließlich in Cannabis Sativa vor, und ist nach jetzigem Kenntnisstand hauptsächlich für die psychoaktive Wirkung verantwortlich. In den weiblichen Blüten sind bis zu 30% des Wirkstoffs (Tendenz steigend) enthalten. Der Wirkmechanismus ist noch immer nicht vollständig erforscht, doch dass THC stark an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 bindet, steht fest. CB1-Rezeptoren befinden sich überall im peripheren und zentralen Nervensystem, und beeinflussen die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin, Noradrenalin, GABA, Acetylcholin usw. All diese Neurotransmitter haben wichtige Aufgaben in unserem Körper, aber auch auf die Psyche haben sie starken Einfluss. So ist Dopamin zum Beispiel für unsere Kreativität zuständig, aber auch für unsere Angst, Serotonin macht glücklich, und sorgt für Übelkeit, aber auch für Schlaf und bei Fehlen für Depressionen. Auch im Magen-Darm-Trakt, der Lunge und den Nebennieren, wo Hormone produziert werden, sind CB1-Rezeptoren zu finden, was die vielfältigen Wirkungen erklärt, die Cannabinoide hervorrufen können. Doch damit nicht genug – da wären ja noch die CB2-Rezeptoren. Diese kommen hauptsächlich in Immunzellen vor, und sind beteiligt an der Zytokinausschüttung. Zytokine sind Entzündungsbotenstoffe, die unheimlich nützlich sind, jedoch bei einer zu hohen Zytokinlast (oder einer dauerhaften Ausschüttung) zum Problem werden können. Bei Autoimmunerkrankungen, oder Corona beginnt der Körper beispielsweise überzureagieren, und statt der pathogenen Keime, den eigenen Körper anzugreifen. An der Regulierung der Zytokine sind maßgeblich Endocannabinoide (körpereigene Cannabinoide) beteiligt, weshalb man über die dafür zuständigen Rezeptoren auch mit externen Cannabinoiden das Geschehen beeinflussen kann.

Delta-8-THC

Der kleine Bruder des Delta-9 THC ist chemisch eigentlich derselbe Stoff, nur dass seine Moleküle minimal anders angeordnet sind. Schwer vorstellbar, wenn man kein Chemiker ist, aber daraus resultiert auch eine leicht veränderte Wirkung. Delta-8 hat großes Potential, in der Medizin eingesetzt zu werden, da es dieselben Wirkungen hat wie Delta-9, nur dass es nicht psychoaktiv wirkt. Auch die anderen pharmakologischen Wirkungen sind leicht schwächer, was jedoch unproblematisch ist, da es aufgrund der fehlenden Rauschwirkung einfach höher dosiert werden kann. Interessant wäre dieses Medikament vor allem für Kinder und ältere Personen; außerdem für Menschen, die ansonsten kein Cannabis konsumieren, und sich beispielsweise vor der psychoaktiven Wirkung ängstigen.

CBD

CBD ist eines der am häufigsten im Cannabis vorkommenden Cannabinoide. Es kann bis zu 40% des Wirkstoffgehaltes ausmachen. Cannabidiol ist so interessant, weil es die Cannabinoid-Rezeptoren nicht nur aktivieren, sondern sie auch auf noch ungeklärte Weise blockieren kann. Außerdem wirkt es noch auf viele andere Andockstellen im Körper, wie zum Beispiel den 5HT1A-Rezeptor, welcher für das Serotonin zuständig ist. Werden beispielsweise die im Darm gelegenen 5HT1A-Rezeptoren aktiviert, kommt es zu einer verringerten Ausschüttung von Serotonin im Gehirn, was zu einer Verringerung von Übelkeit führt. Auch auf den GPR5-Rezeptor wirkt CBD, doch hier ist noch nicht einmal die Funktion des Rezeptors geklärt. Eine weitere Wirkung dieses Cannabinoids ist eine Beeinflussung des Calciumtransports, der für die elektrische Reizweiterleitung an Nervenzellen wichtig ist. Der PPAR-gamma-Rezeptor ist an der Verarbeitung von Zucker und Fett beteiligt, und da er von CBD stimuliert wird, ist es möglich, dass CBD irgendwann als

Begleitmedikation gegen Diabetes zum Einsatz kommt. Eine der größten Superkräfte von CBD ist aber wahrscheinlich, dass es bestimmte Enzyme hemmt, die für den Abbau von Anandamid, einem körpereigenen Cannabinoid, zuständig sind. Somit erhöht es den körpereignen Cannabinoidspiegel, und wirkt quasi wie ein Vielfaches seiner selbst. Die Liste der Wirkungen und Mechanismen ist, obwohl noch lange nicht ausreichend erforscht, schier endlos. Zu guter Letzt sei noch die krampflösende Wirkung genannt, die CBD in den USA und Europa zu einem zugelassenen Medikament gemacht haben. Es wird gegen Epilepsie und die Spasmen verschrieben, die bei Multipler Sklerose auftreten, und inzwischen wegen seiner geringen Nebenwirkungen sogar bei Kindern eingesetzt.

Terpene

Terpene sind die Stoffe, die für den wunderbaren Duft unseres Cannabis sorgen, doch können sie noch weit mehr als duften; je nach Sorte kommen bis zu 200 von ihnen im Cannabis vor. Die Terpene, die im Cannabis enthalten sind, sind auch in Lebensmitteln und Gewürzen enthalten, und finden Anwendung als Medikamente, Parfüms, Duftöle usw. Es sind Kohlenwasserstoffe, die bei verschiedenen Temperaturen verdunsten – das ist auch der Grund, warum unser Cannabis beim Trocknen gefühlt jeden Tag einen anderen Geruch hat. Für einen kleinen Einblick folgen drei der häufigsten Terpene:

Was Beta–Caryophyllen so unfassbar spannend macht, ist seine Fähigkeit, sich wie ein Cannabinoid zu verhalten, denn es bindet an den CB2 – Rezeptor. Lange Zeit war dieser Fakt, obwohl Caryophyllene eigentlich recht gut erforscht sind, unbekannt, da Terpene eine signifikant andere Molekularstruktur aufweisen als Cannabinoide. Durch diesen Umstand kam einfach niemand auf die Idee, es könnte Cannabinoid-Rezeptoren stimulieren. Dies tut es, und zwar ausschließlich am CB2–Rezeptor, was seine starken entzündungshemmenden und schmerzlindernden Eigenschaften erklärt. Ist der CB2-Rezeptor aktiviert, schüttet der Körper automatisch weniger Entzündungsbotenstoffe, sogenannte Zytokine, aus. Es ist auch diese Eigenschaft, die es für die medizinische Forschung so interessant macht; denn der Rauschzustand, der das Cannabis so schwer verschreibbar macht, entsteht am CB1–Rezeptor. Beta–Caryophyllen könnte also eine rauschfreie Alternative zum Cannabis für Patienten mit Arthritis, Multiple Sklerose und anderen chronisch entzündlichen Schmerzerkrankungen darstellen.

 

  • Myrcen ist ein farbloses Monotertpen, welches in vielen Pflanzen, und in hohen Konzentrationen auch im Cannabis vorkommt. Es hat seinen Siedepunkt bei 167 Grad Celsius, ist aber, da es wie alle Terpene flüchtig ist, auch bei Raumtemperatur schnell verschwunden, ganz ohne seine Siedetemperatur zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, sein Cannabis luftdicht zu lagern, und Fläschchen mit Terpenen immer sorgfältig verschlossen zu halten. Myrcen ist eines der am besten erforschten Terpene, was an seinem häufigen Vorkommen in hoher Konzentration liegt. In Cannabis kann es beispielsweise 50% des gesamten Terpengehalts ausmachen. Zusätzlich hat es eine der einfachsten chemischen Strukturen, und ist somit der Grundbaustein für viele andere Terpene; ähnlich dem CBGa unter den Cannabinoiden. In Studien (an Nagern) wurden inzwischen stark entzündungshemmende, sowie muskelentspannende Effekte nachgewiesen; zudem ist Myrcen wahrscheinlich ein starkes Beruhigungsmittel. Außerdem ist es, durch die Förderung der Ausschüttung endogener (körpereigener) Opioide stark schmerzlindernd, was es in Kombination mit seinen anderen Eigenschaften interessant für die Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen wie Arthritis macht. Zusätzlich stärkt Myrcen das Immunsystem, indem es Stickoxide in Zellen hemmt. Diese Eigenschaft wird auch als immunmodulierend bezeichnet.

 

  • Die Wirkungen dieses Terpens sind vielfältig, beispielsweise legte kürzlich ein Forschungsartikel nahe, dass Humulen in geringen Mengen gegen Staphylococcus aureus, ein Lungen-, Knochen und Hautinfektionen auslösendes Bakterium wirksam ist. In Zell- und Tierstudien fand man heraus, dass Humulen Entzündungen ebenso gut hemmt, wie Dexamethason; ein steroidales Kortikoid mit starken Nebenwirkungen. An einer Studie mit Mäusen, die Asthma hatten, gelangte man zu denselben Ergebnissen. Zusätzlich fand man heraus, dass Humulen vor allem in den unteren und oberen Atemwegen gut wirksam ist. Die Wirksamkeit vieler Phytomedikamente hängt vom Humulengehalt ab; so weicht man Hopfen in Wasser ein, um Humulen freizusetzen, und ihn seine sedierende Wirkung entfalten zu lassen. Ebenso verfährt man mit Pfeffer und Ginseng, um ihnen ihre antibiotische Wirkung zu entlocken; zumindest in der traditionellen chinesischen Medizin.

Entourage-Effekt

Das Zauberwort des Entourage-Effekts ist Synergie. Synergie bedeutet nichts anderes, als dass die Stoffe im Cannabis, zu denen noch Flavinoide und einige andere gehören, auf eine Art miteinander interagieren, die ihre Wirkung positiv beeinflusst. Einzelne Stoffe können sich gegenseitig verstärken oder abschwächen, oder Rezeptoren besetzen, an die andere nicht mehr andocken können; kurz gesagt – die Bioaktivität des Stoffgemischs ist höher als die der Einzelsubstanz. Wie wichtig dieses Zusammenspiel ist, wird deutlich, wenn man sich die Statistiken zu Cannabis und psychiatrischen Erkrankungen anschaut. Seit der THC-Wert im Gras stetig steigt, und der CBD-Wert unter einem Prozent liegt, ist das Verhältnis unausgewogen, es kommt öfter zu Ängsten, Paranoia und Panik, aber auch zu körperlichen Symptomen, wie Herzrasen, Schwitzen und Nervosität. Leider ist der Entourage-Effekt, wohl auch aufgrund seiner Komplexität, noch nicht gut erforscht. Dennoch ist klar, dass es ihn gibt, und dass man deshalb im Zweifelsfall immer zu einem Vollspektrumöl greifen sollte!

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